Forschung

„Generation Y“ – ein Vortrag von Cornelia Koppetsch

Veröffentlicht am
Edith Buchhalter 2014

Soziolog/innen werfen gerne mit typisierenden Begriffen um sich, wie die „Generation“, die „Gesellschaft“, der „Markt“, die „Babyboomer“ oder das „Emotionale“, Psycholog/innen stellen sich dabei gerne die Nackenhaare auf, man denkt schnell: wie undifferenziert und ohne individuellen Hintergrund. Spannend wird es, wenn die soziologischen Begriffe von einer Soziologieprofessorin mit einem Diplom in Psychologie empirisch gefüllt werden.

Cornelia Koppetsch ist bekannt für ihre Forschungen zur Entstehung des neuen Rechtsradikalismus, z.B. konstatiert sie die umfassenden kulturellen, politischen und sozialen Grenzöffnungen in der westlichen Gesellschaft als eine wesentliche Bedingung für das Entstehen radikaler Abschottungswünsche. An dieser Stelle empfehle ich aber einen Vortrag zur Generation Y, die von ihr in Abgrenzung zu den Babyboomern, also deren Elterngeneration, untersucht wurden.

Herausgefunden hat Cornelia Koppetsch „Figuren der Generation“. Es werden innerhalb einer Grundpolarität zwischen „Sich-Treiben-Lassen und dauernder Selbstoptimierung“ drei Themen beschrieben, anhand derer sich die Generation der Unter-Vierzigjährigen (ca. 1980 bis 1995 geboren) fassen lasse. Ein Aspekt ist, dass es oft darum geht, wie man bei den eigenen Entscheidungen die immer vorhandenen besseren Optionen nicht verpasst. Beim Entwerfen dieses eigenen optimalen Bildes ist diese Generation stark außengeleitet, im Gegensatz zu den 68ern und den Babyboomern, die (noch) einen inneren Kompass für ihre Entwicklung besitzen. Dabei kennzeichnend für die Yer sei die Methode des „Alles Offenhalten“. Beim nächsten Thema geht es um die Authentizität im Spätkapitalismus, das Emotionale wird zum Investititonsgebiet von Märkten, die Yer suchen Geld und Selbstverwirklichung zugleich, die Babyboomer dagegen sehen sich als leidenschaftlicher, haben Ideale, sind aber auch naiver und neigen zur Selbstausbeutung. Fragen von Solidarität und Zugehörigkeit sind der dritte Schwerpunkt der Generation, die Yer sind tendenziell Nesthocker (was bei den toleranten Babyboomern nicht schwer ist), sie sind zu 75 % mit ihren Eltern zufrieden und würden ihre Kinder ähnlich erziehen und sie sind aufgrund von eher schwachen sozialen Bindungen anderer Art stark an die Herkunftsfamilie gebunden. Die Babyboomer dagegen mussten gegen ihre Elterngeneration (Kriegskinder) kämpfen, um aus vorgegebenen Rollen herauszukommen und haben sehr häufig die Erfahrung einer kulturellen Entfernung von ihren Eltern gemacht.

Am Ende geht Koppetsch noch auf den Aufstieg der AFD ein, der für sie das Ende der Vorherrschaft des Neoliberalismus signalisiert. Diskutiert werden dabei die verfestigten ökonomischen Spaltungen, die Homogenität der Partnerwahl sowie dass Solidarität schwieriger zu realisieren ist, wenn Kultur kein „Baldachin“ mehr ist, sondern eine differenzierende oder auch segregierende Ressource.

Der Vortrag fächert die Ergebnisse der Untersuchung genau auf und es lohnt sich, ihn anzuhören. Die Beziehung zu den Eltern, zur Arbeit, das Entwerfen eines Selbstbildes, das Verhältnis zu Affekten sind Teilaspekte eine psychotherapeutischen Behandlung, auch kann man sich hier zeigen lassen, auf welche Art und Weise Soziolog/innen das Bild einer Generation entwerfen. Als Psychotherapeut/in ist es eine Erweiterung, sich die generationell unterschiedlichen sozialen, ökonomischen und kulturellen Bedingungen der Patient/innen vor Augen zu halten. Am wichtigsten aber war mir bei der Empfehlung, dass die Individuen durch soziologisches Wissen, wie es hier präsentiert wird, einen farbigen Hintergrund erhalten, der sie plastisch erscheinen und somit ihr Bild komplettiert wird.

Cornelia Koppetschs Vortrag wurde gehalten am 3. September 2018 in Berlin in der Heinrich-Böll-Stiftung unter dem Titel „Generation Y. Leben und Arbeiten zwischen Sinnsuche und Sicherheitsbegehren“. Er ist hier zu finden

Podcasts

„Vom Himmel des Rausches zur Hölle der Sucht“ – Vortrag von Reinhard Haller

Veröffentlicht am
Edith Buchhalter 2016
Edith Buchhalter 2014

Geschichte, Physiologie, psychische und soziale Begleiterscheinungen sowie Behandlungsansätze der Sucht werden zu einem kenntnisreichen und durchaus unterhaltsamen Vortrag verbunden, immer untermalt mit dem großen Erfahrungsbereich des Autors. Verständlich wird die große Menge der Details mit Hilfe einer bilderreichen Sprache, wobei die Nähe zu den der Sucht verfallenen Menschen nie verloren geht. Haller scheint ein Arzt (und in seiner Denkweise auch ein Psychologe) zu sein, dem seine berufliche Tätigkeit am Herzen liegt, sei es die Behandlung von schwere Störungen und Süchten als auch die Vermittlung seines Wissens an interessierte Laien und das Fachpublikum.

Reinhard Haller ist Psychiater und Chefarzt im Krankenhaus Maria Ebene in Österreich, ein Experte der Suchtforschung mit verschiedenen Veröffentlichungen zum Thema. Der empfohlene Vortrag wurde am 22.09.2018 in Lech gehalten mit dem Titel: Vom Himmel des Rausches zur Hölle der Sucht und er ist hier zu finden.

Podcasts

Podcast „PsychCast“ – Absetzen von Antidepressiva

Veröffentlicht am
Edith Buchhalter 2016

Was bringt es psychologischen Psychotherapeut/innen, zwei ärztlichen Kollegen im Gespräch zuzuhören? Viel, kann man nach einigen Folgen dieses Podcasts zusammenfassen, denn hier werden komplizierte Themen aus dem Fach ärztliche/psychologische Psychotherapie und Psychiatrie behandelt ohne die Komplexität zu vernachlässigen. Dies kann interessierten Menschen hilfreich zur Seite stehen, aber speziell für Psycholog/innen ist Fachwissen zu Psychiatrie und medikamentöser Behandlung eine wichtige Ergänzung.

Speziell empfehlen möchte ich an dieser Stelle die Folge 25 „Absetzen von Antidepressiva“ aus dem Jahr 2016. Gemeinsam mit zwei betroffenen Laien bespricht Jan Dreher Themen wie Indikation, Meta-Analysen zu Absetzerscheinungen und das Recht des Patienten auf Selbstbestimmung. Es werden ehrliche Aussagen getroffen, z.B. dass die persönlichen Einstellungen eines Psychiaters die Empfehlungen bezüglich des Absetzens von Antidepressiva beeinflussen oder dass Psychiater ihren Patienten auch mal zeigen sollten, was sie nicht wissen. Nicht neu, aber immer wieder gut zu hören ist, dass physiologisch nicht der Serotoninspiegel die Depression bewirkt bzw. verändert, sondern dass die Veränderung des Serotoninspiegels in den synaptischen Spalten weitere Effekte anstößt, die in ihrer Wirkungsweise keineswegs erforscht sind. Dies zeigt, dass die medikamentöse Behandlung durch Antidepressiva eine Symptombehandlung darstellt, nicht kurativ ist und keinesfalls lebenslang eingesetzt werden sollte. Ein eher psychologisches Argument gegen einen allzu flächendeckenden Einsatz der Antidepressiva ist, dass auch entsprechend der depressiven Strukturanteile eines depressiv Erkrankten das Medikament dazu „verführt“, nun erst einmal auf die Wirkung des Medikaments zu warten statt die vielen anderen Bereiche zu bearbeiten, die für eine depressive Episode heilsam sein können, wie das Errichten und Beibehalten einer Tagesstruktur, innere und äußere Konflikte angehen und lösen (alleine oder psychotherapeutisch unterstützt), in körperliche Bewegung kommen, einen passenden Lebensrhythmus finden u.a. Etwas einfach macht es sich Jan Dreher, wenn er dem Patienten das Selbstbestimmungsrecht über das Nehmen und Absetzen von AD zuschreibt, dabei aber situative Faktoren nicht nennt, die eine solche freie und selbstbestimmte Entscheidung einschränken können.

Ergänzend dazu ist die medizinisch sehr genaue Podcastfolge „Antidepressiva“, man lernt die ärztliche Fokussierung kennen, die Herangehensweise an medikamentöse Behandlung sowie Gedanken zur Arztvariablen, und dankenswerterweise wird hervorgehoben, dass es in unseren Berufen um Heilkunst geht, und nicht nur um Biologie.

Die Themen des Podcast sind weit gefächert, über „Was macht ein guter Therapeut?“ über „Lügen und Betrügen“ und „Absetzen von Antidepressiva“ bis hin zu „Forensik“ und „Alkohol“. Produziert wird der Podcast von Dr. Jan Dreher und Dr. Alexander Kugelstadt, Fachärzte, sie sprechen zu zweit oder haben Gäste, und ihr Podcast changiert zwischen alltäglichen Betrachtungen und fundiertem medizinischen Wissen.

Die empfohlene Folge findet sich hier, die Website des Podcasts hier.

Podcasts

„Narzissmus“ – ein Vortrag von Reinhard Haller

Veröffentlicht am
Edith Buchhalter 2013
Edith Buchhalter 2014

Ausgehend von Sprache und Phänomenen des Alltags werden Hallers Forschungsergebnisse zum Thema „Narzissmus“ vorgestellt, anregend, humorvoll und mit Wissen um Bilder und Mythen zum Thema. Leitend ist seine Aussage, der Narzissmus sei nicht als Selbstliebe zu bezeichnen, sondern als Selbstsucht. Passend sei dies, da man süchtig auf die eigene Person und die Anerkennung anderer sei, überdies brauche man immer mehr davon, aber im Grunde sei alles ein Schein. Diese und andere Gedanken werden auf verschiedene Erscheinungsformen des Narzissmus übertragen.

Veröffentlichung zum Thema: Reinhard Haller, Die Narzissmusfalle, 2013

Vortrag auf  youtube