Soziolog/innen werfen gerne mit typisierenden Begriffen um sich, wie die „Generation“, die „Gesellschaft“, der „Markt“, die „Babyboomer“ oder das „Emotionale“, Psycholog/innen stellen sich dabei gerne die Nackenhaare auf, man denkt schnell: wie undifferenziert und ohne individuellen Hintergrund. Spannend wird es, wenn die soziologischen Begriffe von einer Soziologieprofessorin mit einem Diplom in Psychologie empirisch gefüllt werden.
Cornelia Koppetsch ist bekannt für ihre Forschungen zur Entstehung des neuen Rechtsradikalismus, z.B. konstatiert sie die umfassenden kulturellen, politischen und sozialen Grenzöffnungen in der westlichen Gesellschaft als eine wesentliche Bedingung für das Entstehen radikaler Abschottungswünsche. An dieser Stelle empfehle ich aber einen Vortrag zur Generation Y, die von ihr in Abgrenzung zu den Babyboomern, also deren Elterngeneration, untersucht wurden.
Herausgefunden hat Cornelia Koppetsch „Figuren der Generation“. Es werden innerhalb einer Grundpolarität zwischen „Sich-Treiben-Lassen und dauernder Selbstoptimierung“ drei Themen beschrieben, anhand derer sich die Generation der Unter-Vierzigjährigen (ca. 1980 bis 1995 geboren) fassen lasse. Ein Aspekt ist, dass es oft darum geht, wie man bei den eigenen Entscheidungen die immer vorhandenen besseren Optionen nicht verpasst. Beim Entwerfen dieses eigenen optimalen Bildes ist diese Generation stark außengeleitet, im Gegensatz zu den 68ern und den Babyboomern, die (noch) einen inneren Kompass für ihre Entwicklung besitzen. Dabei kennzeichnend für die Yer sei die Methode des „Alles Offenhalten“. Beim nächsten Thema geht es um die Authentizität im Spätkapitalismus, das Emotionale wird zum Investititonsgebiet von Märkten, die Yer suchen Geld und Selbstverwirklichung zugleich, die Babyboomer dagegen sehen sich als leidenschaftlicher, haben Ideale, sind aber auch naiver und neigen zur Selbstausbeutung. Fragen von Solidarität und Zugehörigkeit sind der dritte Schwerpunkt der Generation, die Yer sind tendenziell Nesthocker (was bei den toleranten Babyboomern nicht schwer ist), sie sind zu 75 % mit ihren Eltern zufrieden und würden ihre Kinder ähnlich erziehen und sie sind aufgrund von eher schwachen sozialen Bindungen anderer Art stark an die Herkunftsfamilie gebunden. Die Babyboomer dagegen mussten gegen ihre Elterngeneration (Kriegskinder) kämpfen, um aus vorgegebenen Rollen herauszukommen und haben sehr häufig die Erfahrung einer kulturellen Entfernung von ihren Eltern gemacht.
Am Ende geht Koppetsch noch auf den Aufstieg der AFD ein, der für sie das Ende der Vorherrschaft des Neoliberalismus signalisiert. Diskutiert werden dabei die verfestigten ökonomischen Spaltungen, die Homogenität der Partnerwahl sowie dass Solidarität schwieriger zu realisieren ist, wenn Kultur kein „Baldachin“ mehr ist, sondern eine differenzierende oder auch segregierende Ressource.
Der Vortrag fächert die Ergebnisse der Untersuchung genau auf und es lohnt sich, ihn anzuhören. Die Beziehung zu den Eltern, zur Arbeit, das Entwerfen eines Selbstbildes, das Verhältnis zu Affekten sind Teilaspekte eine psychotherapeutischen Behandlung, auch kann man sich hier zeigen lassen, auf welche Art und Weise Soziolog/innen das Bild einer Generation entwerfen. Als Psychotherapeut/in ist es eine Erweiterung, sich die generationell unterschiedlichen sozialen, ökonomischen und kulturellen Bedingungen der Patient/innen vor Augen zu halten. Am wichtigsten aber war mir bei der Empfehlung, dass die Individuen durch soziologisches Wissen, wie es hier präsentiert wird, einen farbigen Hintergrund erhalten, der sie plastisch erscheinen und somit ihr Bild komplettiert wird.
Cornelia Koppetschs Vortrag wurde gehalten am 3. September 2018 in Berlin in der Heinrich-Böll-Stiftung unter dem Titel „Generation Y. Leben und Arbeiten zwischen Sinnsuche und Sicherheitsbegehren“. Er ist hier zu finden