Filme und Serien

„Blue Jasmine“

Veröffentlicht am
Edith Buchhalter 2011

Kennt man nicht Phasen im Leben, in denen man laut mit sich selbst spricht und die anderen um sich herum vergisst? Psychologisch gesehen könnte dies ein Weg sein, sich in einer Art Selbstfürsorge wieder aufzurichten und so aus einem Tief heraus zu kommen. Dies jedenfalls wünscht man in dem Film „Blue Jasmine“ (Woody Allen, 2013) der Hauptfigur und diese Hoffnung trägt das Filmerleben sehr lange Zeit. Neben natürlich der überragenden Schauspielerin Cate Blanchett, die der an ihrer verlorenen Fassade festhaltenden älteren Frau eine intensive und leere Traurigkeit gibt.

Jasmine hat ihren Reichtum, ihren seelenlosen Ehemann und ihre Wohnung an der Upper East Side von New York verschwinden sehen, sie ist gezwungen zur Schwester nach Florida zu ziehen, sich einen Job zu suchen und ihren Alltag selbst zu organisieren. Gezeigt wird dies als struktureller Zusammenbruch, als Verlust einer Außenhülle, die das einzig stabile Gerüst im Leben der Gattin eines reichen Betrügers war. Quälend ist die fortschreitende Verleugnung aller Angebote des realen Lebens, die Verdrängung von Erfahrungen, die Jasmine macht, der fortschreitende Rückzug in das blau-leere Innenleben. Der Film macht deutlich, wie schwer es ist, eine Anlehnung an Fassaden wie Ehemann, Reichtum u.a. aufzugeben. Sinnlichkeit, kompliziertere Bindungen, mittelmäßige Lebensformen, Versagungen, Alltagsanforderungen – in all dies kann Jasmine nur momentweise einsteigen. Der Sprung aus ihrer haltgebenden Hülle ist zu angstbesetzt, zu wenig erprobt, lieber wird der rote Faden der traurigen Gleichgültigkeit wieder aufgenommen. Am Ende ist sie gefangen in den Versuchen, die gefundene Lebensform zu wiederholen, also wieder einen reichen Ehemann zu finden. Man sieht, wie diese Methode leerläuft, Jasmine kann ihr Scheitern nicht nutzen und das Verleugnen setzt wieder ein.

Realitätsverlust, fassadere Persönlichkeit, abhängige Strukturanteile sind die diagnostischen Stichworte, aber Cate Blanchett macht aus Jasmine eine komplexe und überzeugende Film-Figur, die die ihre Probleme reichhaltiger deutlich macht als trockene Einordnungen. Es gibt Kritiken, die den Realitätsverlust der Protagonistin gespiegelt sehen in der künstlichen und stereotypen Darstellungsweise des Regisseurs. Dies mag sein, kann aber auch als eine Kongruenz von Inhalt und Form angesehen werden.

Blue Jasmine kann man auf Amazon Prime leihen oder als DVD kaufen z.B. hier

Eine Kritik aus der Süddeutschen Zeitung findet man hier.